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Resilienz

3 Dinge, die Pflegekräfte in der Pandemie stark machen

Eine aktuelle Studie der Universität Erlangen-Nürnberg zur psychischen Belastung gibt konkrete Hinweise – und eine Warnung

Jede fünfte Pflegekraft im Krankenhaus hat während der ersten Pandemiewelle Symptome einer Depression oder Angststörung entwickelt. Dies zeigt eine aktuelle Studie, die nach Aussagen der Universität Erlangen-Nürnberg die größte in Europa ist zur psychischen Gesundheit bei Mitarbeitern im Gesundheitswesen während der ersten Covid-19-Welle. Deutlich wird in der Befragung mit 3.678 teilnehmenden Pflegekräften, Ärzten und MTAs (Medizinisch-Technischen Assistenten) aber auch, was gegen psychische Störungen schützt.

MTAs zeigen am häufigsten depressive Symptome 

Von den drei Berufsgruppen waren die MTAs am meisten psychisch beeinträchtigt. Fast jede vierte MTA (23 Prozent) zeigte depressive Symptome, jede fünfte Angst-Symptome. Es folgten Pflegekräfte mit 21,6 und 19 Prozent, dann Ärzte mit 17,4 und 17,8 Prozent. Die Unterschiede zwischen den Berufsgruppen waren allerdings nur klein und bei Angststörungen auch nicht statistisch signifikant.

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In der Online-Befragung gab es zwei Fragen zu depressiven Symptomen und zwei zu Symptomen einer generalisierten Angststörung. Unter anderem sollten die Teilnehmer angeben, wie oft sie sich im Verlauf der letzten zwei Wochen durch Verlust von Interesse und Freude sowie durch Niedergeschlagenheit, Schwermut oder Hoffnungslosigkeit beeinträchtigt gefühlt haben – von „überhaupt nicht“ bis „fast jeden Tag“. Insgesamt kann man in dem Test pro Störung 6 Punkte erreichen. Ab 3 Punkten wird die Person als belastet eingestuft.

Außerdem wurden sie gefragt, wie gut sie sich in ihrer Freizeit erholen können, ob sie aktuell mehr Alkohol trinken oder rauchen und wie sie die Zusammenarbeit mit den Kollegen erleben. Später wurde das in Verhältnis gesetzt zur Entwicklung einer Depression oder Angststörung.

Pflegekräfte in der Pandemie stabiler als „Normalbürger“

Die Studienautorinnen machten dann noch eine weitere Auswertung: Sie verglichen die Werte der Gesundheitsfachkräfte mit denen der Allgemeinbevölkerung vor und während der Pandemie. Das war möglich, weil es Daten aus anderen Untersuchungen mit demselben Fragebogen gab. Es zeigte sich, dass vor der Pandemie Klinikmitarbeiter stärker psychisch belastet waren als „Normalbürger“. Doch im Laufe der Pandemie verschlechterten sich letzter deutlich. Am Ende waren dann die Mitarbeiter im Gesundheitswesen stabiler.

1.    Wissen über das Corona-Virus schützt vor Angst

„Uns hat es nicht überrascht, dass die Beschäftigten im Krankenhaus offenbar auch eine gute Bewältigungsfähigkeit hatten, um der Pandemie zu begegnen“, sagen die Autorinnen Dr. Eva Morawa und Prof. Dr. Yesim Erim, Leiterin der Psychosomatischen und Psychotherapeutischen Abteilung des Universitätsklinikums Erlangen. Aber was sind die Gründe? Ist es ein Durchhaltewillen auf den Stationen? Erim vermutet zwei andere Ursachen. Fachkräfte haben mehr Wissen über das Virus, und das hilft ihnen. Und ein Teil der Mitarbeiter war gar nicht mehr, sondern weniger gestresst als sonst, weil Klinikbetten für Covid-19 Patienten freigehalten, aber dann doch nicht belegt wurden. „Jetzt in der zweiten Welle ist diese Situation natürlich ganz anders.“ Deshalb ist kürzlich noch eine zweite Befragung gelaufen, über 6.000 Personen haben sich beteiligt. „Das kann man als ein Zeichen des Wunsches nach öffentlicher Anerkennung ansehen“, sagt Erim.

2.    Ein gutes Team schützt vor Depressionen

Sehr wichtig waren auch die Kollegen: Ein gutes Team schien eher gegen eine Depression zu schützen. Wer seinen Kollegen aber in schwierigen Situationen weniger vertrauen konnte, entwickelte auch eher depressive Symptome.

Kann man dieses Ergebnis nutzen, um Pflegekräfte zu unterstützen? Durchaus, sagt Erim.

„Wenn ein gutes Team so entscheidend ist, dann sollte man das gezielt fördern.“

In ihrer Klinik etwa wurde schon mit dem Personalrat besprochen, welche Maßnahmen sinnvoll wären: „Schon, wenn man in einem neuen Team einmal eine moderierte Kennlernrunde macht, kann das viel bringen.“

3.    Stress nicht mit Alkohol bekämpfen

Es zeigte sich auch, dass das Risiko für eine Depression höher bei jenen, die sich in ihrer Freizeit schlecht erholen konnten oder die mehr Alkohol tranken.

Auch das Thema Alkohol kann man aktiv angehen: „Hier sollte die Klinik präventiv darüber informieren, dass Alkohol kein geeignetes Mittel zum Stressabbau ist, und Alternativen anbieten.“ Erim und ihre Kolleginnen haben außerdem eine ganz praktische Hilfe entwickelt, die jeder zu Hause einsetzen kann: ein „Stress-Thermometer“. Man beantwortet einige Fragen, und kann dadurch abends einschätzen, wie gestresst man tagsüber war. Und dann aktiv für Stressabbau sorgen. Aber besser nicht mit Alkohol.

Die Angst, andere anzustecken, ist groß

Mit der Schutzausrüstung waren die meisten Befragten in der ersten Welle zufrieden. Nur 27,8 Prozent befürchteten, sich selbst anzustecken, obwohl mehr als die Hälfte direkten Kontakt mit Infizierten hatte. 54,6 Prozent hatten jedoch Angst, ihre Angehörigen anzustecken. Das ging auch den Studienleiterinnen selbst so: „Am Anfang war ja nicht klar, welche Rolle Schmierinfektionen spielen“, sagt Erim, „Ich habe damals auch jeden Abend meine Kleidung sofort abgelegt, um keine Viren in meine Familie mitzubringen.“

 

Mehr Info über die Studie

Die Befragung, inzwischen eingereicht beim Journal of Psychosomatic Research,  lief vom 20. April bis 5. Juni 2020. Die Antworten von 1.275 Pflegekräften, 1.061 Ärzten und 1.342 Angehörigen der medizinisch-technischen Berufe (MTAs) gingen in die Auswertung ein. Insgesamt waren rund drei Viertel Frauen, bei den teilnehmenden Pflegekräften sogar 77,9 Prozent. Von allen Befragten hatten 54,8 Prozent während ihrer Arbeit direkten Kontakt mit infizierten Patienten, ein Prozent hatte sich angesteckt.

Referenzen

Morawa E et al. Psychosocial burden and working conditions during the COVID-19 pandemic in Germany: The VOICE survey among 3678 health care workers in hospitals. Manuscript Draft, 17.11.2020

Langer S. Bundesweite Studie zu den psychischen Belastungen des medizinischen Personals während der Corona-Pandemie. Presseerklärung 17.Dezember 2020

 

 

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