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Klinikum Region Hannover

150 Prozent mehr Geld für Einspringen aus dem Frei

Roter Teppich für Pflegekräfte: Denn das ist längst nicht alles, was sich das Klinikum Region Hannover mit seinem Tarifvertrag „Entlastung“ für Pflegekräfte hat einfallen lassen

Ein Tarifvertrag, der bundesweit Beachtung finden würde – so war in der Presseeinladung des Klinikums Region Hannover zu lesen. Vielleicht doch ein bisschen dick aufgetragen? Vermutlich nicht. Die wichtigsten sechs Punkte im Überblick, die der kommunale Klinikverbund (7.500 Mitarbeiter, 610,5 Millionen Euro Umsatz) mit der Gewerkschaft Verdi für Pflegefachkräfte und Servicepersonal vereinbart hat:

1. Verbesserung: 3 zusätzliche freie Arbeitstage („Entlastungstage“)

Für dieses Jahr gilt dies für alle Pflegefachkräfte ab dem 50. Lebensjahr, ab 2021 für alle, die das 45. Lebensjahr erreicht haben. Es werden 20 neue Vollzeitstellen (VK) geschaffen, um Entlastungsstage zu ermöglichen.

2. Verbesserung: 300 bis 500 Euro brutto als monatliche Zulage für Pflegefachkräfte im Mobil-Team

Mobil-Team nennt das Klinikum Region Hannover das, was vielerorts auch Springerpool heißt. Springerpools werden immer häufiger, gerade in großen Häusern. Sie sind ein attraktiver Arbeitsbereich für alle, die sich flexiblere Arbeitszeiten wünschen und denen ein festes Team nicht ganz so wichtig ist.

Mit dieser Maßnahme steht das KRH nicht völlig allein da: Im Klinikum Frankfurt Höchst etwa gibt es Prämien bis zu 20 Prozent für Pflegefachpersonen, die im Springerpool arbeiten.

3. Verbesserung: 100 mehr Stellen für das Mobil-Team

Das Mobil-Team gibt es seit Anfang 2019, bisher sind 39 Pflegefachkräfte im Mobil-Team beschäftigt, davon 29 in Vollzeit. Noch einmal 100 Vollzeitstellen kommen jetzt durch den Tarifvertrag hinzu. Das Mobil-Team sei besonders attraktiv für alleinerziehende Mütter oder betreuende Angehörige. Sie können ihre Arbeitszeiten nach eigenen Wünschen genau definieren, sagte der für Personal zuständige Geschäftsführer Michael Born bei der Präsentation des Tarifvertrags.

4. Verbesserung: 75 Euro brutto pro Schicht für besondere Dienste

Auch das Aushelfen auf einer anderen Station wird jetzt im KRH honoriert und zwar mit 75 Euro.

Im Uniklinikum Jena werden die „Joker-Dienste“, wie das Aushelfen in anderen Arbeitsbereichen auch genannt wird, jeweils mit einem Belastungspunkt honoriert. Ab vier Belastungspunkten erhält der Mitarbeiter dann im übernächsten Dienstplanungszeitraum eine bezahlte Freischicht als Belastungsausgleich. Verdi hat diese Maßnahme bereits in Tarifverträgen 15 verschiedener Kliniken in Deutschland integriert.

5. Verbesserung: 150 Prozent Ausgleich für „Holen aus dem Frei“

Grundsätzlich soll das Einspringen aus dem Frei reduziert werden, passiert es doch, gibt es einen finanziellen Bonus von 150 Prozent - sprich, mehr als die doppelte Bezahlung. Es gibt auch andere Krankenhäuser, die inzwischen einen Ausgleich zahlen, es ist von Summen zwischen 70 und 100 zu hören. Der Ausgleich am KRH dürfte damit einer der großzügigsten sein.

6. Verbesserung: mehr Ausbildungsqualität

Mit Blick auf den Fachkräftemangel wundert es nicht, dass auch die Verbesserung der Ausbildungsqualität Teil des Tarifvertrages ist. Gerade bei frisch übernommenen Schülerinnen und Schülern verzeichnet das KRH eine hohe Abbruchquote. Auf Nachfrage nannten die Abbrecher die unzureichende Praxisanleitung und eine nicht ausreichende Einarbeitung als Gründe für den Austritt. Hier will das Klinikum gegensteuern. 30 zusätzliche Vollzeitstellen, jährliche Entwicklungsdialoge und strukturierte Einarbeitungsphasen sollen einen „sanften“ Einstieg in die Arbeit auf den Stationen ermöglichen.

200 neue Stellen in der Pflege

Der Tarifvertrag „Entlastung“ hat eine Laufzeit von zwei Jahren und gilt ab Januar 2020. Insgesamt sollten 200 zusätzliche Stellen geschaffen werden - nicht mur im Pool und bei den Praxisanleitern:

  • 30 weitere VK, um „keine Schicht allein“ zu ermöglichen
  • 20 VK für besonders belastete Bereiche

KRH-Geschäftsführer Born zeigte sich bei der Präsentation entschlossen: „Wir müssen es schaffen, den Ausstieg aus dem System zu beenden.“ Sorge, dass die 200 neu ausgeschriebenen Stellen nicht besetzt werden könnten, haben KRH und Verdi (bei der Präsentation vertreten durch den Landesleiter Detlef Ahting) nicht.

400 Prozent mehr Bewerber durch originelle Kampagne?

Die seit 2019 laufende KRH-Recruitingkampagne mit dem Slogan „Wir sind Spießer, Abenteurer und Lebenskünstler“ läuft sehr erfolgreich. „Wir haben so viel Zulauf wie noch nie“, freut sich Geschäftsführer Born. Die Anzahl der Bewerbungen sei um 400 Prozent gestiegen, über 100 Vollzeitkräfte wurden 2019 eingestellt. Und Verdi-Sprecher Athing ist sicher: „Wir beschreiten mit diesem Vertrag komplett neue Wege in der Tariflandschaft. Das spricht sich rum.“

Autorin: Evelyn Griep/kig

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